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Pausen statt Brechstange

Viele Reiter setzen Pausen im Training als Lob ein. Auch ich mache im Training gerne eine Pause, wenn das Pferd eine Übung gut absolviert hat.

Pausen können aber viel mehr.

Sie helfen nämlich auch weiter, wenn es eben mal nicht gut läuft. Doch in solchen Momenten sind die Leute leider oft nicht bereit eine Pause zu machen. Schließlich soll man doch erst aufhören wenn es gut war, oder?

Einige scheinen auch Angst zu haben, dass sie Schwäche zeigen, wenn sie nicht immer sofort genau das durchsetzen, was sie angefangen haben. Sie haben oft Angst vor der Reaktion der Anderen (der Leute, die immer noch mit Standart-Sprüchen wie „Setz dich durch, der verarscht dich“ oder „Der darf nicht gewinnen“ unterwegs sind).  Und so versuchen immer noch viel zu viele Reiter in einem Kampf ihr Pferd dazu zu zwingen, mit ihnen zusammen zu arbeiten.

Klingt schon komisch, oder? Jemanden dazu zu zwingen mit einem zusammen zu arbeiten?!

 

Das Schlimme ist, dass man ein Pferd dank unserer ganzen Hilfsmittelchen tatsächlich häufig dazu zwingen kann, eine bestimmte Reaktion zu zeigen. Deshalb gibt es eben auch oft noch dieses trainieren über Kraft und Technik, was auf den ersten Blick leider auch zum Ziel zu führen scheint. Doch hier lohnt sich ein genauer Blick aufs Ergebnis. 

Nur weil das Pferd eine Übung technisch umsetzt, heißt es nicht, dass sie gut ist. Ich sehe z.B. viele piaffierende Pferde, die wild mit dem Schweif schlagen, den Rücken wegdrücken und nervös mit den Zähnen knirschen. Oder Pferde, die zwar einen Galoppwechsel springen, dies aber mehr schlecht als recht und mit enormer Anspannung.

Und wenn man sich so eine Lektion einmal versaut hat, weil man es dem Pferd mit zu viel Druck und Kampf beigebracht hat, bekommt man (wenn überhaupt) nur mit jahrelanger Kleinarbeit das Pferd wieder dazu leicht und locker an die jeweilige Lektion heran zu gehen.

 

Ihr glaubt ich übertreibe?

Bestes Beispiel dafür war meine eigene Stute. Die, der ich verdanke, was ich heute bin, auf deren Kosten ich das allerdings auch lernen musste.

Unsere damalig Trainerin schaffte es zunächst nicht die Stute zum fliegenden Galoppwechsel zu bringen (rückblickend ist auch völlig klar warum, nämlich weil die Stute noch gar nicht geradegerichtet und ausbalanciert war; zudem war sie sehr vorhandlastig und bekam die Schultern gar nicht hoch– leider war ich damals noch nicht selbst so weit ausgebildet das sicher zu erkennen und verließ mich stattdessen auf die Erklärungen besagter Trainerin). Der Weg den die Trainerin dann einschlug war es leider den Druck einfach nur immer weiter zu erhöhen. Endergebnis war, dass die Stute den Galoppwechsel zwar tatsächlich sprang, allerdings in einem fast panischen Zustand. Zudem entwickelte sie sehr plötzlich eine Verhaltensstörung, das Boxenlaufen. Dieser deutliche Hilfeschrei öffnete mir damals endlich die Augen und brachte mich zurück auf den richtigen Weg. Ich nahm die Stute aus dem Training und sie bekam eine mehrjährige Auszeit in einer Zuchtstutenherde, während ich mich meiner eigenen Ausbildung intensiv widmete. Ich bekam dann auch ein scheinbar relaxtes Pferd zurück, das kein Boxenlaufen mehr zeigte und von dem wir glaubten, dass jetzt wieder alles gut sei. Aber weit gefehlt!

Wir trainierten die Stute ganz in Ruhe wieder an, was zunächst auch sehr gut lief. Sie hatte kein Problem mit dem Reiter. Doch dann kam der Tag, an dem wir die Hilfe zum Galoppwechsel gaben (nur ganz leicht ohne es mit Druck durchzusetzen - wirklich nur ein ruhiges, einmaliges Antesten) und von jetzt auf gleich brach die Welt für dieses Pferd wieder zusammen. Sofort stand Panik in den Augen der Stute und die sofort vorhandene Anspannung war in dieser Reiteinheit nicht wieder raus zu bekommen. Als sie dann zurück in die Box kam, mit der sie eigentlich keine Probleme mehr gehabt hatte, fing sie sofort wieder an ihre Kreise zu drehen. Es brach einem wirklich das Herz das mit anzusehen.

Ich erzähle euch diese unschöne Geschichte, um zu verdeutlichen was passieren kann, wenn man es übertreibt. Nicht viele Pferde reagieren zwar so deutlich (leider eigentlich, denn es würde dann mehr Menschen die Augen öffnen), trotzdem muss einem klar sein, dass es auch für die, die sich aufgeben und es stumm ertragen wirklich schlimm ist.

Betroffene Pferde werden auch nie so viel Anmut und Leichtigkeit zeigen, wie ein ohne Brechstange trainiertes Pferd, das die Zeit bekommen hat, die es brauchte.

 

Es gibt doch eigentlich nichts Schöneres als ein williges und arbeitsfreudiges Pferd. Ein Pferd das gerne mitarbeitet, weil es eben keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Diese Pferde laufen locker, sind fleißig und aufmerksam. So ein Pferd bekommt man aber nur ohne die Brechstangenmentalität!

 

Natürlich soll das nicht heißen, dass man nie mit Druck arbeiten darf. Alle unsere Hilfen sind Druck und das Pferd muss lernen mit diesem in einem ordentlichen Maß umzugehen, aber nicht so oft und so hart wie es leider immer noch tagtäglich gehandhabt wird.

 

Insoweit ist auch zu beachten welche Art Pferd ich habe. Habe ich ein hochsensibles Tier, das sich aufregt und reinsteigert und somit sowieso nicht mehr aufnahmefähig ist oder hab ich gerade die lethargische Variante, die alles zu anstrengend findet und versucht sich mit dem Minimalprinzip durchzumogeln. Bei der ersten Variante macht Nachdruck gar keinen Sinn, hier empfiehlt sich besagte Pause. Bei der zweiten Variante wäre eine Pause hingegen manchmal auch kontraproduktiv.

 

Wie genau soll das aber nun funktionieren mit den Pausen?

Nehmen wir mal ein kleines Beispiel aus der Praxis:

Kürzlich habe ich mein Jungpferd über ein paar Trabstangen longiert und dachte beim anschließenden Führen, dass die Stangen eine schöne „Parklücke“ bilden, in die ich das Pony rückwärts einparken könnte. Ich hatte natürlich schon in Gassen rückwärts gerichtet, aber bisher hatten wir diese vorher vorwärts passiert und sie lagen auch weiter auseinander. Zudem lagen die Stangen diesmal direkt an der Bande und waren somit an einem Ende geschlossen. Also etwas Neues für das Pony. Ich stellte Woody also vor den Stangeneingang und fragte nach dem Rückwärtsgang. Es ratterte im Ponykopf, aber er versuchte lieber erstmal nach rechts und links auszuweichen. Ich arbeitete jeweils ruhig dagegen. Dann merkte ich jedoch, dass das Pony mit jeder Korrektur nur nervöser wurde. Er fing an sich aufzuspulen und einfach nur schneller auszuweichen. Er achtete gar nicht mehr richtig auf meine Hilfen, sondern war nur damit beschäftigt irgendwie seinen Hintern aus der vermeintlichen Gefahrenzone zu bringen. Ich stellte daraufhin alle Hilfen ein und machte eine Pause. Es dauerte einen Moment bis Woody überhaupt mitbekam, dass ich gerade gar nichts mehr von ihm wollte, so unkonzentriert war er bereits geworden. Ich ließ ihn einen Moment stehen und in dieser Zeit schnaubte er dann auch ab. Man konnte richtig sehen wie dabei die zwischenzeitlich angestaute Körperspannung nachließ. Als er wieder ruhig und entspannt dastand, fragte ich erneut nach einem Schritt rückwärts und siehe da, ich bekam ihn quasi geschenkt. Das Pony ließ sich ab da problemlos rückwärts einparken obwohl ich nichts gemacht hatte außer einer Pause!

Was wäre die Alternative gewesen?

Ich hätte mich auf einen Kampf einlassen und meine Hilfen unverhältnismäßig verstärken können um auf das Einparken zu bestehen. Mit mehr Kraft und Ärger auf meiner Seite hätte Woody sich dann zuletzt sicher auch in der Lücke wiedergefunden, aber es hätte insgesamt wahrscheinlich sogar länger gedauert, es hätte chaotische Szenen gegeben und vor allem hätte in der Lücke zum Schluss ein angespanntes und nervöses Pferd gestanden, das sich unwohl gefühlt hätte. Beim nächsten Ansteuern der Lücke hätte er sich vielleicht lieber gar nicht erst vor die Stangen stellen lassen, weil er sie negativ verknüpft hätte. Mit der kleinen Denkpause war eine Wiederholung hingegen gar kein Problem! Er hatte ja gemerkt, dass das Ganze halb so wild war.

 

Die kurzen Pausen in Problemsituationen helfen aber nicht nur dem Pferd dabei runterzukommen und wieder aufnahmebereit zu werden, auch ich als Reiter/Trainer sollte mir, wenn etwas nicht klappt, mal eine Pause gönnen in der ich darüber nachdenke, ob ich auch alles richtig mache und das Pferd überhaupt die richtige Antwort geben kann. Ggf. komme ich auf einem anderen Weg doch viel besser zum Ziel und kann mir eine unnötige Auseinandersetzung mit dem Pferd sparen.

 

Nicht zu verwechseln ist der Einsatz von Pausen in Problemsituationen natürlich mit Aufgeben! Das ist etwas ganz anderes. Denn beim Aufgeben, würde ich von der jeweiligen Lektion komplett Abstand nehmen. Im Fall der Pause lass ich mir und dem Pferd aber einfach nur genug Zeit, denke ggf. um und suche vielleicht sogar einen anderen Weg, am Ziel selbst halte ich jedoch fest.

 

All das, was ich versucht habe euch hier näher zu erklären, fasst Ray Hunts berühmtes Zitat „Wait for your horse!” wunderbar zusammen. Wer diesen Satz und seine Bedeutung verinnerlicht hat, sollte einen motivierten und arbeitsfreudigen Partner an seine Seite bekommen.