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Ein Plädoyer FÜR Dominanz im Pferdetraining

 

Ich lese im Moment wieder vermehrt Beiträge auf Facebook bei denen ich nur den Kopf schütteln kann. Der Trend dabei ist weiterhin: Dominanz ist böse!!!

Man darf Pferde nur noch machen lassen was sie auch wollen! Wir sollen also nach unseren Kindern und Hunden jetzt auch unsere Pferde bitte antiautoritär erziehen um nicht als böse Tierquäler dazustehen.

 

Untermauert werden diese vielbejubelten Beiträge von blödsinnigen Thesen angeblicher Fachleute die z.B. behaupten, dass Pferde untereinander auch nicht mit Dominanz arbeiten würden, sondern dies nur ein altes Märchen sei. Irgendwie frag ich mich da immer, welche Herde Kuscheltiere diese sog. Experten da beobachtet haben wollen?! In jeder Herde die ich kenne, gibt es jedenfalls eine deutlich erkennbare Rangordnung.

Oder meine neue Lieblingsthese, die besagt, dass Pferde gar keine Ausbildung bräuchten. Ausbildungssysteme seien nur für das Ego der Menschen da.

Ok, also Ausbildungssysteme sind jetzt auch böse?! Demnach sind Pferde wohl von Natur aus zum Reiten gemacht und zum Verstehen der Spezies Mensch - die brauchen keine Hilfe dabei. Auch unsere moderne Welt ist natürlich gar kein Problem für Pferde. Ich lass meinen Jungspund dann also bald im Straßenverkehr mal selbst entscheiden vor welchen LKW er ggf. mit mir springen möchte.

 

Zusätzlich sehe ich dann überall diese Bilder von Leuten die ohne Sattel und Trense über die Felder galoppieren, die Arme wie Flügel ausgebreitet. Das gibt immer viele Likes (selbst wenn der jeweilige Reiter vielleicht kurz danach den Abgang gemacht haben sollte, weil doch etwas Unvorhergesehenes kam – egal, das Foto ist schön geworden und ermuntert zum Nachahmen).

Ein wirklich schön gerittenes Dressurpferd in der Bahn bekommt hingegen nicht mehr ganz so viele Likes; liegt halt nicht im Freiheitstrend.

Bedingt durch diesen Trend möchte auch keiner mehr mit Trense reiten; auch nicht mehr „normal Gebisslos“, nein, maximal der Halsring darf es noch sein. Denn nur dann kann ich beweisen, dass mein Pferd mir angeblich vertraut und wir eine innige Beziehung zueinander haben.

Versteht mich nicht falsch, das alles ist ja grundsätzlich nicht schlecht und richtig gemacht von erfahrenen Reitern auf entsprechend ausgebildeten Pferden auch schön anzusehen, aber stattdessen sehe ich viel häufiger Pferde, die wie Giraffen mit nach unten durchgedrücktem Rücken versuchen solchen Spielchen Stand zu halten. Oder man hört wieder hier von nem Sturz und da von nem Unfall; aber egal, besser in Freiheit gestorben, als Tierquäler zu sein, oder?

 

Wegen all dem habe ich mich jetzt für dieses Plädoyer entschieden. Ich will Leuten die Probleme haben, weil „diese Freiheitssache“ bei ihnen und ihrem Pferd irgendwie nicht funktionieren will sagen, dass das völlig ok ist und es auch ok ist diesem Trend nicht blindlings zu folgen, denn er ist oft mehr Schein als Sein!

Es ist nicht verwerflich sein Pferd ordentlich zu erziehen und auszubilden!

Versteckt euch nicht, nur weil ihr doch was von der Rangordnung haltet, das aber gerade out ist. Zeigt lieber allen was für ein tolles Team ihr seid und zwar gerade wegen Dominanz, Erziehung und strukturierter Ausbildung!

 

Erstmal möchte ich deshalb insoweit klarstellen, dass Dominanz nichts damit zu tun hat, sein Pferd zu misshandeln! Doch genau so kam dieses System in Verruf: Schlechte Trainer rechtfertigten Gewalt im Training häufig über das Dominanzsystem.

Doch Dominanz bedeutet eben nicht Gewalt, sondern lediglich, dass ich den höheren sozialen Status in der Pferd-Mensch-Gruppe haben möchte. Warum ich das möchte?

Weil Pferde 500kg schwere Fluchttiere sind, die mir sogar schon unabsichtlich gefährlich werden können. Außerdem möchte ich mich auch in brenzligen Situationen noch auf mein Pferd verlassen können. Das kann ich aber nur, wenn mein Pferd weiß, dass ich alles im Griff habe, man sich auf mich verlassen und man sich an mir orientieren kann. Ich will in solchen Situationen nicht in Frage gestellt werden.

 

Und ja, trotz der höheren Position (bzw. gerade deswegen) ist mein Pferd mein Partner. Bei uns wird auch geschmust, gespielt und rumgeblödelt, aber immer in einem geregelten Rahmen! Auch ranghohe Pferde fressen schließlich neben Rangniedrigen, spielen mit diesen oder betreiben gegenseitige Fellpflege. Es ist ja nicht so, dass rangniedrige und ranghohe Pferde Feinde wären.

Die wirklich ranghohen Pferde arbeiten auch kaum mit Aggression. Ihre Ausstrahlung und Sicherheit macht das nicht nötig. Da reicht meist ein Blick oder ein zuckendes Ohr um Regeln durchzusetzen. Nur ab und zu (meist nur zu Beginn) muss wirklich mal was geklärt werden, aber auch da wird ein souveräner Herdenchef nicht mehr Druck als nötig ausüben.

Viel Aggression sieht man hingegen auf den unteren Stufen, da wo die unsichereren Pferde sind, die sich nicht anders zu helfen wissen.

 

Also halten wir fest: Dominanz hat nichts mit Aggression und Gewalt zu tun! Es geht eher darum Regeln aufzustellen und diese dann konsequent einzuhalten. Dadurch gibt ein Leittier der Gruppe einen sicheren Rahmen, in dem sich auch unsichere Mitglieder wohl fühlen können.

Und ja, Pferde wollen diesen Rahmen. Sie wollen Regeln die ihnen Sicherheit geben. Das ist jedenfalls das, was mich das Problempferdetraining gelehrt hat. Viele Probleme hatten sich sofort erledigt, als lediglich ein paar Regeln eingeführt worden sind und der Mensch nicht mehr zwanghaft darum bemüht war von seinem Pferd wie von einem Menschen geliebt zu werden. Die Leute die vorher versucht hatten ihren Pferden über möglichst viel Freiraum zu zeigen wie lieb sie sie doch haben, waren oft verwundert als sie sahen, dass die Bindung zu ihrem Pferd sogar viel besser wurde als sie die Freiräume einschränkten.

 

Natürlich hat mein Pferd auch noch Mitspracherechte, aber eben nicht bei allem und nicht in jeder Situation. Das letzte Wort bleibt meins.

Und solltet ihr euer Pferd auch mal zu Recht weisen müssen, dann ist das nichts für das man sich schämen muss, WENN man es richtig macht. Ein Pferd nimmt euch ein in die Schranken weisen auch nicht übel, wenn es angemessen und richtig getimt war. Es ist kein nachtragender Mensch! Wir müssen insoweit endlich aufhören unsere Pferde immer mit menschlichen Maßstäben und Gefühlen zu messen. Sie haben natürlich Gefühle, aber andere und einfachere Denkmuster als wir.

Sie in menschliche Formen zu pressen und ihnen ihre eigenen Strukturen wie eben zum Beispiel eine Rangordnung zu nehmen ist einfach nur unfair und führt zu Problemen, die vermieden werden können. Und wer Pferde immer noch wie Pferde sieht und behandelt, der wird eben auch um das Dominanzsystem nicht drum rumkommen.

 

Jetzt könnte man noch sagen: Aber es klappt doch auch mit diesem neuen Trend bei so vielen Leuten so gut. Da rate ich euch: Guckt insoweit auch mal hinter die Kulissen derer, die angeblich in völliger Freiheit mit dem Pferd arbeiten. Bei den einen werdet ihr sehen, das immer noch recht viel schief geht wenn es wirklich drauf ankommt und bei den anderen lohnt es sich den Weg genauer anzuschauen, der sie an den jeweiligen Punkt gebracht hat. Denn auch wenn diese Leute es nicht so nennen und ggf. sogar abstreiten wette ich darauf, dass auf ihrem Weg immer auch Dominanz eine Rolle gespielt hat. Ohne Grenzen und ohne Druck in Form von Hilfen kommt jedenfalls meiner Erfahrung nach keiner mit seinem Pferd irgendwohin! Lasst euch da nicht blenden und verunsichern.

 

Dominanz im Umgang mit Pferden ist jedenfalls nichts Verwerfliches, sondern einfach nur ein natürliches und pferdegerechtes System, was das Zusammenleben für alle erleichtert. Und sie schließt einen liebevollen und fairen Umgang mit dem Pferd nicht aus, sondern gerade im Hinblick auf Fairness ist sie für mich unabdingbar. Wenn alle Regeln klar sind, bin ich für mein Pferd stets berechenbar und gerade Pferde sind absolute Gewohnheitstiere und mögen deshalb klare Strukturen und Regeln.